Die Temperamentenlehre als Schlüssel zur Selbstwahrnehmung und Gesundheitspflege
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Einleitung
Kennst du das Gefühl, nicht genau zu wissen, was dein Körper dir eigentlich sagen will? Du spürst, dass etwas nicht im Gleichgewicht ist, kannst es aber schwer in Worte fassen? Gerade für Menschen um die 40, wenn sich hormonelle Veränderungen, neue Lebensphasen oder alte Muster bemerkbar machen, wird es umso wichtiger, auf feine Signale zu achten. Die Jugendjahre verzeihen meist noch viele Ausschweifungen. Die ersten Zeichen der Älterwerdens zeigen, dass ein freundschaftlicher und achtsamer Umgang mit dem Körper ansteht.
Die Traditionelle Europäische Medizin (TEM) bietet einen faszinierenden Zugang, wie du deine eigene Natur besser kennenlernen kannst. Die Temperamentenlehre ist dabei ein kraftvoller Schlüssel, um dich selbst zu verstehen, Symptome frühzeitig zu deuten und deine Gesundheit eigenverantwortlich zu gestalten.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, wir wissen jeweils selbst am Besten, was gut für uns ist. Ich bin ein großer Fan von intuitiver Herangehensweise: wie möchte ich mich bewegen, was will ich essen, was möchte ich arbeiten. Doch leider sehe ich auch, dass das System, in dem ich lebe, sich an vielen Stellen Mühe gegeben hat, mich in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen – oft mit Erfolg. Daher sind die Methoden und Theorien der TEM für mich eine Möglichkeit mich auf meinem Weg zur individuellen, intuitiven Lebensgestaltung zu begleiten. Eine Einladung, durch spezifischere Empfehlungen ins Spüren zu kommen.
Dieser Artikel möchte dir einen Einblick in die Temperamentenlehre geben und dich inspirieren, zur Expert:In für deinen eigenen Körper zu werden. Es geht nicht um Schubladendenken, sondern um differenzierte, liebevolle Selbstbetrachtung. Oder anders gesagt: Spür mal drüber nach, was die Temperamentenlehre für dich bedeuten kann.

Inhaltsverzeichnis
- Was ist die Temperamentenlehre?
- Die vier Temperamente nach Galen
- Sanguiniker:In
- Choleriker:In
- Melancholiker:In
- Phlegmatiker:In
- Temperament, Charakter und Persönlichkeit
- Die Verbindung zur Konstitutionslehre
- Reiz, Reaktion und Balance: Wie dein Körper auf Einflüsse reagiert
- Vom Wissen zur Praxis: Wie du dein Temperament im Alltag berücksichtigst
- Impuls zum Selbst-Erspüren: Dein Weg zur inneren Expert:In
- Zusammenfassung
Was ist die Temperamentenlehre?
Die Temperamentenlehre ist ein zentrales Element der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM) und geht auf antike Gelehrte wie Hippokrates und Galenus von Pergamon zurück. Sie geht unmittelbar aus der Humorallehre hervor: der namensgebender Kardinalsaft ist mit seinen humoralen Qualitäten beim jeweiligen Individuum dominant.
- Bei Sanguiniker:Innen (Luft) dominiert der Saft Sanguis / Blut
- Bei Choleriker:Innen (Feuer) dominiert der Saft cholera / Gelbgalle
- Bei Melancholiker:Innen (Erde) dominiert der Saft melancholera / schwarze Galle
- Bei Phlegmatiker:Innen (Wasser) dominiert der Saft phlegma / Schleim
Diese vier grundlegende Temperamente stehen im Mittelpunkt der Betrachtung. Sie beschreibt die angeborene physische und psychische Veranlagung eines Menschen, Reize wahrzunehmen, zu verarbeiten und darauf zu reagieren.
Diese Einteilung ist keinesfalls einengend oder wertend gemeint, sondern bietet eine Orientierung, um das eigene Wesen, typische Reaktionsmuster sowie krankheitsanfällige Schwachstellen besser zu verstehen.
Wir alle tragen alle Säfte und jedes Element in uns, lediglich die Ausprägungen sind unterschiedlich stark. Häufig genug ist die Zuordnung nicht eindeutig. Viele Personen haben einen sogenannten “nebenliegenden Flügel”. Sind also eine phlegmatische Sanguinikerin oder eine cholerische Melancholikerin. So ergeben sich insgesamt 12 Einzelkonstitutionen und Kombinationsmöglichkeiten der Temperamente. Komplett konträre Typen finden sich dabei nicht in einer Person. Phlegmatisch und Cholerisch bin ich nicht gleichzeitig. Obgleich sich Charakterzüge und Tendenzen selbstredend in ein und derselben Person zeigen können – zumal in unterschiedlichen Lebensphasen.
Die Natur selbst ist die beste Heilerin. Wer sein Temperament kennt, kann mit gezielten Maßnahmen sein Gleichgewicht bewahren. – Hippokrates
Besonders relevant ist daher auch die Komplexität einer Bestimmung des Temperaments: es gibt umfassende Hinweise, welches Temperament die Person vor mir haben könnte. Aber nicht ein Hinweis allein kann ausschlaggebend sein. Und ohne die persönliche Sicht der betroffenen Person zu kennen kann ich keine endgültige Aussage treffen.
Einige Bereiche, die Ansatzpunkte liefern zur Bestimmung des Temperaments:
- Temperatur der Hände und Füße
- Gewebestruktur
- Haarqualität
- Haut Textur und Farbe
- Wärmeempfinden
- Schulterbreite
- Formung der Hände
- bevorzugtes Klima
- Verdauung
- Appetit und Durstverhalten
- Schlafbedürfnis und -qualität
- Essgeschwindigkeit
- Stimmlage
- Geschwindigkeit und Qualität des Gehens
- extrovertiert oder introvertiert
- Körpergeruch
- Durchsetzungsfähigkeit
- Sensibilität
- und so viel mehr…
Die vier Temperamente nach Galen
Zu den einzelnen Temperamenten gibt es viel zu sagen, daher gibt es für jedes noch einen extra Blogbeitrag. Hier ein kurzer Einblick, ein Blitzlicht auf die einzelnen Typen. Bewusst kurz und zugespitzt dargestellt. So kannst du dir direkt ein Bild machen. Vielleicht kommt dir direkt eine Person aus deinem Umfeld in den Sinn? Oder eine Roman- oder Filmfigur? Wenn du dir die Typen auf diese Weise greifbarer machen kannst, erschließen sich häufig Zusammenhänge besser.





Sanguiniker:In – Luft, Blut und Lebensfreude
Eigenschaften: heiter, stark erregbar, impulsiv, lebenslustig
Krankheitsneigung: Hypertonie, Gefäßerkrankungen
Bewegung: Leichtfüßige, kreative Aktivität wie Tanz, Spaziergänge, Yoga
Sanguiniker:Innen sind sonnige Gemüter, oft von Natur aus gesellig und spontan. Ihre warme, feuchte Grundkonstitution macht sie lebendig und anziehend – jedoch auch anfällig für Überreizungen und ein Zuviel an Aktivismus.
Choleriker:In – Feuer, Ehrgeiz und Dynamik
Eigenschaften: ehrgeizig, jähzornig, dominant
Krankheitsneigung: Entzündungen, Verdauungsstörungen
Bewegung: Intensive Bewegung, sollte jedoch bewusst dosiert werden
Das cholerische Temperament bringt viel Energie, aber auch eine gewisse Reizbarkeit mit sich. Choleriker:Innen können lernen, ihre inneren Feuerquellen zu regulieren, um Burnout oder Wutanfälle zu vermeiden.
Melancholiker:In – Erde, Tiefe und Struktur
Eigenschaften: grüblerisch, ernst, strukturiert
Krankheitsneigung: chronische Entzündungen, Depression, Erschöpfung
Bewegung: sanft, rhythmisch, wie Spaziergänge oder Qi Gong
Melancholiker:Innen sind tiefgründige Menschen mit Sinn für Ordnung. Sie neigen dazu, viel zu reflektieren und müssen besonders gut auf ihre Ressourcen achten.
Lust die Therapien der TEM auszuprobieren?
Phlegmatiker:In – Wasser, Ruhe und Substanz
Eigenschaften: ruhig, träge, bedacht
Krankheitsneigung: Schleimerkrankungen, Gicht, Stoffwechselprobleme
Bewegung: Ausdauernde Aktivitäten mit Genussfaktor wie Wandern, Schwimmen
Phlegmatiker:Innen sind ausgeglichen und tolerant, benötigen aber oft einen sanften Anreiz zur Bewegung. Ihre körperliche und geistige Trägheit kann mit der richtigen Lebensweise wunderbar ausbalanciert werden.

Temperament, Charakter und Persönlichkeit
Der Begriff „Temperament“ wird im heutigen Sprachgebrauch oft synonym mit „charakterstark“ oder „impulsiv“ verwendet. Angewendet werden die charakterlichen Merkmale der Typenlehre noch in Pädagogik, Coaching und allgemein Psychologie. Die Temperament Definition der TEM hingegen beschreibt ein komplexes Zusammenspiel von Anlage, Körperstruktur und seelischer Dynamik.
Die Temperamente bilden die Grundlage für unsere Reaktionen auf Reize und beeinflussen:
- unser Entscheidungsverhalten
- unsere emotionale Tiefe
- unsere Energiezyklen im Tages- und Jahreslauf
- unsere Krankheitsanfälligkeit
Durch eine genaue Beobachtung der eigenen Reaktionen können wir wertvolle Hinweise auf ihr dominierendes Temperament gewinnen und so zur gestärkten Persönlichkeit heranreifen.
Die Verbindung zur Konstitutionslehre
Neben dem Temperament beschreibt die Konstitution den stabilen Teil deiner Wesensstruktur, der durch genetische Faktoren geprägt, aber durch Umwelt und Lebensstil wandelbar ist.
„Konstitution ist der aus den Erbanlagen hervorgegangene, aber durch Umwelteinflüsse veränderbare Zustand eines Individuums und seine Reaktionen auf äußere und innere Einflüsse.“ – Dr. Aschner
Dein Temperament (Genotyp) beschreibt das grundlegende Organisationsprinzip. Die aktuelle temperatio (Phänotyp) ist die momentane Ausprägung davon – also z. B. gerade eher trocken, warm, feucht oder kalt.
Reiz, Reaktion und Balance: Wie dein Körper auf Einflüsse reagiert
Die Temperamente beeinflussen:
- wie schnell du dich bewegst
- wie du auf Stress reagierst
- welche Lebensmittel dir guttun
- wann du besonders wach oder müde bist
Schon Galen beschrieb mit Eukrasia (richtige Mischung) den Idealzustand. Ein Zuviel oder Zuwenig führt zu Intemperatio (Ungleichgewicht), das behandelt werden sollte.
Besonders spannend: Die Dyskrasia beschreibt eine quantitative Dysbalance der Körpersäfte. Erste Anzeichen sind oft subtil: Hautveränderungen, Stimmungsschwankungen, Verdauungsprobleme. Wer hier fein spürt, kann frühzeitig eingreifen.
Die TEM war immer Erfahrungsmedizin. Schon damals galt: Nicht ein Mittel hilft allen, sondern das Richtige für genau dich. Vor allem eine individuelle und den aktuellen Moment beachtende Therapie kann zum Erfolg führen.
„Der beste Arzt ist der, der weiß, was für einen Menschen nützlich ist, nicht für alle Menschen.“ – Galen
Vom Wissen zur Praxis: Wie du dein Temperament im Alltag berücksichtigst
Bei einer angepassten Lebensweise oder gar Therapie geht es darum, die Stärken zu unterstützen und die Schwächen zu kompensieren. Insofern wir unter den Schwächen oder ihren Auswirkungen leiden. Wir alle sind komplexe Wesen. Die Tendenz zur Selbstoptimierung Richtung Perfektionismus halte ich für nicht nachhaltig. Ich finde es empfehlenswert mir meiner eigenen Schwächen bewusst zu werden – und dann ganz klar zu entscheiden: stört mich das? Behindert es mich im Umgang mit meiner Umwelt?
Der Einfluss unseres Temperamentes zeigt sich in allen Lebensaspekten. Welche Kleidung wähle ich, welches Essen schmeckt mir und tut mir gut, welche Bücher lese ich, wo will ich wohnen und was will ich arbeiten. Im Folgenden daher nur einige Beispiele zur Veranschaulichung.
Wohnen nach dem Temperament
Bin ich bei jemandem zu Besuch, so kann ich häufig bereits in der Einrichtung Tendenzen des Temperamentes der Bewohnerin erkennen. Und auch meine eigene Umgebung – insofern ich allein darüber bestimmen kann – spiegelt meinen Charakter. Oder manchmal die Art, wie ich wirken möchte.
Typische Räume der Temperamente
Phlegmatiker:Innen: harmonische Ordnung, sanftes Licht
- Sanguiniker:Innen: helle, luftige Räume mit kreativen Elementen
- Choleriker:Innen: klare Strukturen, wenige Reize, Erdung durch Holz oder Naturtöne
- Melancholiker:Innen: ruhige, warme Farben, viel Textur und Geborgenheit
- Phlegmatiker:Innen: harmonische Ordnung, sanftes Licht
Alltag und Bewegung
Auch in der Gestaltung des Alltags und den sportlichen Vorlieben kann sich das Temperament bemerkbar machen:
- Sanguiniker:Innen suchen nach Spaß und Abwechslung und lieben Teamsportarten
- Choleriker:Innen sind gern im Wettbewerb, haben große Meilensteine und setzen diese zielstrebig um
- Melancholiker:Innen lieben Ästhetik – durchdachte Choreografien sind ihr Ding
- Phlegmatiker:Innen sind eher gemütlich und besonnen: vor allem durch andere motiviert können sie lange Ausdauer beweisen
Bist du aus der Balance, dann passe deinen Alltag an deine Konstitution an:
Achte auf Ausgleich (z. B. wärmende Speisen für Melancholiker:Innen im Winter)
- Gönne dir Pausen zur richtigen Zeit
- Bewege dich entsprechend deines Temperaments
- Achte auf Ausgleich (z. B. wärmende Speisen für Melancholiker:Innen im Winter)
Nahrung als Medizin?
Meine Meinung: Medizin ist Medizin und Nahrung ist Nahrung. Gleichzeitig kann meine Ernährung natürlich Einfluss auf mein Wohlbefinden oder eben auch Unwohlsein haben. Die Temperamentenlehre macht Vorschläge, welche Art der Ernährung für die unterschiedlichen Typen passend sein könnte. Fühle ich mich also nicht im Gleichgewicht, kann ich ausprobieren, welche Nahrungsmittel, welche Zubereitung, welche Portionsgrößen, welche Zusammenstellungen und Häufigkeiten sich besonders gut für mich anfühlen. Immer in Abhängigkeit von den persönlichen Verträglichkeiten bzw. potentiellen Allergien.
Die Qualitäten warm/kalt und feucht/trocken sind auch in Lebensmitteln enthalten. Diese gezielt einzusetzen, kann helfen, Dysbalancen auszugleichen. Beispiel: Sanguiniker:Innen können kühlere, trocknende Lebensmittel ausgleichend unterstützen.
7. Impuls zum Selbst-Erspüren: Welche:r Typ bin ich?
Nimm dir 15 Minuten Zeit. Setze dich in Ruhe an einen Ort, an dem du ungestört bist. Atme tief durch. Stelle dir folgende Fragen:
- Wie reagiere ich auf Stress?
- Welche Tageszeit liegt mir besonders?
- Wie fühlt sich meine Haut, meine Stimme, mein Energielevel an?
- Welche Bewegungsform tut mir wirklich gut?
- Was brauche ich, um mich wohlzufühlen?
Schreibe deine Antworten auf. Lass sie wirken. Vielleicht erkennst du schon eine Tendenz zu einem der vier Typen – oder sogar eine Mischung.
8. Zusammenfassung
Die Temperamentenlehre ist ein wertvolles Werkzeug zur Selbsterkenntnis und Gesundheitsförderung. Sie zeigt dir:
- wie du auf Reize reagierst
- was du brauchst, um in Balance zu bleiben
- wie du Symptome frühzeitig erkennen kannst
Indem du dich selbst besser verstehst, wirst du zur Expert:In deines eigenen Körpers. Nicht weil du perfekt bist – sondern weil du genau weißt, was dir guttut. Spür mal drüber nach.